Je mehr Möglichkeiten ich habe, desto lieber würde ich den Kopf in den Sand stecken. Zu viele Freiheiten schränken mich ein. Also nicht in dem Moment, wenn ich eine Entscheidung treffe, sondern so im Großen und Ganzen.
99+ kannte ich früher immer nur von der Altersempfehlung auf Gesellschaftsspielen. Inzwischen ist es die rotleuchtende Zahl für ungelesene Nachrichten und Anfragen die standardmäßig in meinen Postfächern bei Facebook und Instagram angezeigt wird. Nicht nur mich scheint diese schier unglaubliche Zahl zu überfordern, denn außer einer weißen Fläche sehe ich nichts mehr, wenn ich ins Postfach schaue.
Lange Zeit hatte ich so meine Probleme mit diesen Insta-Stories. Und das nicht nur, weil man gerade mal lächerliche 15 Sekunden Zeit hat, um auf den Punkt zu kommen. 15 Sekunden? Für mich eine schier unlösbare Herausforderung.*
Als mich mein Handywecker gestern um 16:55 Uhr mit „In Gedanken“ daran erinnerte, dass ich in 5 Minuten von der Kompass-Psychologin angerufen werde, um meinen „Therapie-Bedarf“ festzustellen, saß ich grad bei meiner Hausärztin. Ok, vielmehr stand ich mit ziemlich weichen Knien und fest zusammengekniffenen Augen bei meiner Hausärztin, denn ich musste gegen Tetanus geimpft werden. Andere Frauen beherrschen Multitasking. Ich nicht. Memo an mich: Entweder den Kürbis in der Pfanne schwenken oder telefonieren.
Als mich meine Mutter gestern Abend am Hagener Hauptbahnhof abgeholt hat, war sie irgendwie anders. Irgendwie zurückhaltender, vorsichtiger. Nicht, dass sie sich nicht gefreut hätte, mich zu sehen, nein, das gar nicht. Sie stand in der Eingangshalle des kalten, tristen Bahnhofs und inmitten der griesgrämig dreinschauenden Menschen habe ich sie sofort entdeckt. Ihr warmes und wie immer herzliches Strahlen übersieht man nicht so leicht. Ok, und ihr groß gestikulierendes Winken auch nicht. So ist sie und so liebe ich sie.